
Katharina Bruckner und Stefan Moritsch sind Designer. Gemeinsam hat das Paar in Wien ein Designbüro gegründet, gemeinsam haben sich die beiden dazu entschlossen, in Osttirol ein Haus zu renovieren. Das geschah auch aus dem Antrieb heraus, dem Leerstehenden einen Wert zu geben. Dieser Wert liegt in der Nutzung. Vorhandenes ungenutzt zu lassen, ist Verschwendung. Das gemeinsame Haus hat Bruckner und Moritsch die Gelegenheit gegeben, sich mit dem Bestehenden zu verwurzeln – „und nicht das Gefühl zu haben, auf Sand zu bauen und uns als Designer*innen in die Region einzubringen“, sagt Katharina Bruckner in ihrer Eröffnungsrede zum Peter Bruckner Preis 2025. Der Preis trägt den Namen ihres Vaters, des Schlossermeisters Peter Bruckner, der weitum als schöpferischer Problemlöser galt.
Ein Designpreis also, benannt nach einem Handwerker? Das mag zunächst seltsam anmuten, ist aber folgerichtig. Denn Peter Bruckner schlug in seinem Schaffen die Brücke zwischen Gestaltung und Ausführung wie selbstverständlich. Und so spielt sich auch der Designpreis in jenem Spannungsfeld ab, das selten, zu selten, zusammenfindet und zusammengedacht wird: Handwerk und Design. Katharina Bruckner hat beides kennengelernt.
Handwerk …
In der Werkstatt des Vaters wird Mechanik, Technik, Logik sichtbar. „Das gab mir das befriedigende Gefühl, mit Durchblick ein Stück Welt zu verstehen“, sagt sie. Sie erinnert sich an die Worte des Vaters: „Nicht Kraft, Technik – Rohr, Hebel, Übersetzung.“ Derart hat die spätere Designerin gelernt, wie Leichtigkeit und Schwere zusammenhängen, wie Routine und Wiederholung ein Körperwissen erzeugen. Können, das im Körper sitzt – wie beim Spielen eines Instruments oder im Ballett. „Handwerk“, argumentiert sie, „ist in diesem Sinn eine Schule der Resonanz, des direkten Dialogs mit dem Material, aber auch der Kundschaft und den Werkzeugen und Maschinen – eine Erfahrung von Beständigkeit.“ Der Soziologe und Kulturphilosoph Richard Sennett beschreibt Handwerk in seinem gleichnamigen Buch als „fundamentalen menschlichen Impuls“ und den „Wunsch, eine Arbeit um ihrer selbst willen gut zu machen“.
Handwerkliches Können basiert auf hoch entwickelten Fähigkeiten und Fertigkeiten. Übung macht darin den Meister. Rohes, ungeschliffenes Talent kann die Übung nicht ersetzen. Der Erwerb dieser Fähigkeiten hält zwei emotionale Belohnungen bereit: eine Verankerung in der greifbaren Realität und Stolz auf die eigene Arbeit. Darin ist das Handwerk anderen, abstrakten Tätigkeiten überlegen, die zur Entfremdung führen. Die Hand, wusste schon Immanuel Kant, sei das Fenster zum Geist, verfügt sie doch über das größte Repertoire unterschiedlicher und willentlich steuerbarer Bewegungen.
… und Design
Im Design verhält sich die Sache ein wenig anders. Die einzige Routine ist, dass man immer wieder nichts weiß und von vorne beginnt. „Design heißt, Unsicherheiten auszuhalten – und auch andere durch diesen Prozess zu begleiten“, sagt Bruckner. Zusammengefasst lässt sich sagen: Während das Handwerk auf Wiederholung, Technik, Körperwissen und Resonanz aufbaut, wird im Design die produktive Unsicherheit kultiviert, Leere ausgehalten, Neues imaginiert, nach Offenheit und Wandel gesucht. Der Peter Bruckner Preis bringt, führt die Designerin aus, „Handwerk und Design zusammen – nicht, indem er die Unterschiede verwischt, sondern indem er die Spannung hält. Wiederholung und Wandel. Idee und Machbarkeit. Region und Welt. Leere und Möglichkeit. Es geht dabei weniger um Formen – als um Beziehungen.“ Die Produkte, die in diesem Spannungsfeld entstehen können, müssen sich an ganz unterschiedlichen Kriterien messen lassen, im Juryentscheid ebenso wie in der späteren Praxis. Es geht dabei um Innovation, Nachhaltigkeit, nicht nur im Material, sondern auch im Denken; Funktion und Gebrauchswert; Marktchancen; materialgerechte Gestaltung; Originalität des Entwurfs und nicht zuletzt natürlich: die ästhetische Qualität.
Osttirol ist eine Region mit reicher Handwerkstradition und – nachweislich – einem ungebrochen regen Erfindergeist. Der wurde früher dadurch angeregt, dass Mangel geherrscht hat. Die Leute mussten sich selbst zu helfen wissen. Aber auch heute noch wollen sich die Osttiroler am liebsten selbst helfen. Hier hat man auch schon immer Design gemacht, auch wenn man es nicht so genannt hat. Manch produzierender Gestalter wie Sepp Brugger (Porträt Seite 68) kann dem Begriff nach wie vor wenig abgewinnen, andere wie der gebürtige Osttiroler Martin Bergmann (Interview Seite 64) zählen zur internationalen Designerelite.
Text: Marian Kröll
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Peter Bruckner Preis
Mit dem Peter Bruckner Preis an der Schnittstelle zwischen Design, Handwerk und lokaler Produktion gibt es seit 2022 ein wiederkehrendes Format, das in die Region passt. Osttirol kann sich nicht auf seiner Lebensqualität, Handwerkstradition und seinen Vorzeigeunternehmen ausruhen, sondern muss Zukunftsperspektiven entwickeln und sich weiter öffnen. Der Adressatenkreis des international ausgeschriebenen Preises ist breit und umfasst sowohl Designer*innen, Handwerker*innen (und alles dazwischen) als auch Studierende und Lehrlinge. Gestalter*innen und Handwerker*innen können voneinander lernen. Was lange getrennt war, wächst wieder neu zusammen. Das kann nicht zuletzt dazu beitragen, ein offenes und in die Zukunft gewandtes Handwerk aufzuwerten. So verstanden ist der Peter Bruckner Preis viel mehr als eine weitere Auszeichnung für gute Gestaltung. Er ist ein Werkzeug, das Gestaltung und Produktion neu miteinander verbindet. Der Peter Bruckner Preis würdigt dabei keine schnellen Effekte, sondern nachhaltige Positionen. Er zeichnet Projekte aus, die in ihrer gestalterischen Qualität ebenso überzeugen wie in ihrer Kontextsensibilität. Und er macht sichtbar, dass Gestaltung kein elitäres Phänomen ist, sondern ein zutiefst menschlicher Akt – geprägt von Mut, Verantwortung und Neugier.

