Tirol positioniert sich touristisch seit Jahren als Sportland Nummer eins der Alpen. Mit der Signalwirkung nach außen geht auch ein sportliches und bewegungsaffines Selbstbild in weiten Teilen der Bevölkerung einher. Aktiv bewegt man sich hierzulande am Berg und im Tal, drinnen und draußen, passiv wird ganz klassisch vor dem TV-Gerät oder dem Smartphone mitgefiebert.
Mit dem Sport ist es nicht so einfach. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass es gar nicht so einfach ist, eine allgemein anerkannte Begriffsdefinition zu finden. Im Duden war erst 1887 erstmalig vom Sport die Rede. „Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich Sport zu einem umgangssprachlichen, weltweit gebrauchten Begriff entwickelt. Eine präzise oder gar eindeutige begriffliche Abgrenzung lässt sich deshalb nicht vornehmen. Was im Allgemeinen unter Sport verstanden wird, ist weniger eine Frage wissenschaftlicher Dimensionsanalysen, sondern wird weit mehr vom alltagstheoretischen Gebrauch sowie von den historisch gewachsenen und tradierten Einbindungen in soziale, ökonomische, politische und rechtliche Gegebenheiten bestimmt. Darüber hinaus verändert, erweitert und differenziert das faktische Geschehen des Sporttreibens selbst das Begriffsverständnis von Sport“, heißt es etwa in einem sportwissenschaftlichen Lexikon. Was als Sport begriffen wird, ist kontextabhängig und kann individuell verschieden sein. Deshalb nehmen manche Menschen auch eine ganz bewusste Differenzierung zwischen Sport, wo das Wettkampfmotiv dominiert, und Bewegung vor.
Sport hat heutzutage viele Gesichter, ist Teil der Freizeit- und Unterhaltungskultur, erwiesenermaßen gut für die physische und psychische Gesundheit und nicht zuletzt ein schwergewichtiger Wirtschaftsfaktor. Sport fasziniert auf mehreren Ebenen zugleich. Das ist keineswegs neu. Sportliche Aktivitäten erfreuten sich schon bei den alten Griechen und in den meisten Gesellschaften regen Zuspruchs und hatten einen hohen Stellenwert. Platon war preisgekrönter Ringer, Isaac Newton boxte angeblich in seiner Jugend und stellte noch im hohen Alter gern seinen Bizeps zur Schau. Nur weil der Begriff „Sport“ noch nicht existiert hatte, bedeutet das nicht, dass es die Tatsache „Sport“ noch nicht gab.
Sport ist in seinen unterschiedlichsten Ausprägungen ein Massenphänomen, Spitzensportler genießen Ansehen und können – je nach Sportart sehr unterschiedlich – auch Spitzeneinkommen erzielen. Sportstätten wie Stadien fassen wesentlich größere Menschenmengen als etwa Kirchen, Theater oder andere Versammlungsbauten. Möglicherweise hat in unseren Zeiten der Sport die Religion als das „Opium des Volkes“ abgelöst. Das ist in diesem Kontext nicht negativ gemeint, sondern auf den Sport als Faszinosum gemünzt. So hat der Spitzensport heute durchaus eine weit über die Unterhaltung hinausreichende Funktion für die Gesellschaft.
Der Sport ist ins Gerede gekommen, in einer Zeit, in der sich pandemiebedingt nicht nur in der Wirtschaft um einiges weniger bewegt als üblich. Die Universität Innsbruck hat herausgefunden, dass während des ersten Lockdowns vor einem Jahr die Tiroler Bevölkerung weniger Sport betrieben hat als sonst. Ob der weitreichenden Einschränkungen, die damals galten, ist das nicht verwunderlich. Die Kriminalisierung individualsportlicher Aktivitäten dürfte jedenfalls nicht als Sternstunde der österreichischen Pandemiegeschichte erinnert werden. Sie zeigt aber, dass der Breitensport keine besonders gute Lobby hat. So wie die Kultur. Zusätzlich ist zu erwähnen, dass die positiven gesundheitlichen Nebeneffekte des Sports für das Gesundheitssystem die negativen, die etwa durch Sportunfälle entstehen, bei weitem überwiegen. Sport bzw. Bewegung vermeidet Kosten, die dem System durch körperliche Inaktivität und die daraus resultierenden Zivilisationskrankheiten entstehen. Sport bewegt aber nicht nur die Menschen, sondern auch die Wirtschaft.
Sport ist nicht nur Freizeitaktivität und/oder Wettkampf, sondern auch von seiner wirtschaftlichen Bedeutung her nicht zu unterschätzen. Der Impact des Sports lässt sich allerdings nicht so einfach in Zahlen gießen, muss die Sportwirtschaft doch als Querschnittsmaterie begriffen werden, weil sportbezogene Aktivitäten in unterschiedliche wirtschaftliche Branchen hineinreichen. Dazu zählen die Umsätze, die mit Sportartikeln gemacht ebenso wie jene, die mit sportbezogenen Dienstleistungen erwirtschaftet werden, dazu kommen Werbeerlöse, Sponsoring, Medienrechte, Sportstättenumsätze usw. „Im europaweiten Vergleich nimmt die Sportwirtschaft Österreichs gemessen am Anteil des BIP oder der Beschäftigung eine führende Position ein, die vor allem auf die hohe Bedeutung des Sporttourismus zurückzuführen ist“, heißt es beim zuständigen Bundesministerium. Die Bruttowertschöpfung des Sports in seiner weiteren Definition wird österreichweit mit 5,75 Prozent des BIP taxiert, bei der Beschäftigung hängen sogar mehr als 7 Prozent der Jobs direkt und indirekt vom Sport ab. Das sind wohlgemerkt die Zahlen, die vor dieser Pandemie Geltung hatten. In keinem anderen EU-Land leistet die Sportwirtschaft einen ähnlich hohen Anteil zum Bruttoinlandsprodukt und zur Beschäftigung. Die Sport- überflügelt damit sogar die Bauwirtschaft. Österreich ist ein Sport(wirtschafts)land. Der Sport bewegt hierzulande vieles, sichert Arbeitsplätze, hält die Menschen gesünder, stiftet Identifikation, dient als Projektionsfläche und begeistert. Der Sport bewegt die Menschen. Es lebe der Sport.
Text: Marian Kröll