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Geld

Frisches Geld

6.12.2023

Als Geschäftsführer der SymbiaVC und Innovationsleiter im Pfeifer Innovation Hub kennt sich Johannes Oberdanner mit dem Zusammenhang zwischen Venture Capital und Innovation bestens aus. Im Interview erklärt er, wie gesund das hiesige Start-up-Ökosystem ist, was Start-ups für die Gesamtwirtschaft leisten und warum Europa vor allem beim großen Geld für Start-ups hinterherhinkt.

eco.nova: Wie ist es um das Start-up-Ökosystem in Tirol im Jahr 2023 bestellt? Johannes Oberdanner: In den letzten Jahren hat sich viel getan. Zum einen gibt es die Initiative Startup.Tirol, mit der innerhalb der Standortagentur ein Schwerpunkt auf dieses Thema gelegt wurde. Drumherum hat sich vieles entwickelt. Es gibt den Inncubator, der Dinge aus der Forschung in die unternehmerische Welt bringt, und mit Hermann Hauser und dem I.E.C.T. gibt es eine sehr prominente, seit acht Jahren stattfindende Summer School für Deep-Tech-Ideen. In Tirol hat sich folglich eine Community entwickelt. Wir sind noch längst nicht am Ende, und es gibt auch immer noch Lücken, gerade wenn es ums Skalieren geht. Beim Wachstum und dessen Finanzierung gibt es sicher noch Ausbaubedarf. Grundsätzlich ist das Thema angekommen und wird auch immer breiter diskutiert und verstanden. Es ist relevant, um für die Zukunft gute Lösungen zu finden.

Start-ups wollen finanziert werden, und dafür ist Wagniskapital prädestiniert. Bei uns wird Venture Capital – im Gegensatz zu den USA – noch immer mit Skepsis betrachtet. Brauchen wir mehr Aufklärung oder einen Kulturwandel dahingehend, dass das nichts Unanständiges ist? Das Thema ist sicher mit Vorurteilen und einschlägigen Bildern behaftet. Es handelt sich um eine Hochrisikokapitalanlage. Ist jemand nun überhaupt nicht mit Finanzinstrumenten vertraut, hört von den Erfolgsquoten von Start-ups und kennt die eine oder andere Geschichte aus den Medien, ist das nachvollziehbar. Man muss aber differenzieren: Im deutschsprachigen Raum sind wir bei den Veranlagungsformen sehr konservativ geprägt. Das hängt mit der Art zusammen, wie wir unser Wirtschaftssystem gestaltet haben, aber vor allem auch damit, wie größere Fonds, zum Beispiel Pensionsfonds, ihre Vermögen verwalten. Da ist Risikokapital natürlich nicht das Mittel der Wahl, weil ein hohes Ausfallrisiko gegeben ist. Wir müssen andererseits auch in die Bildung investieren, in die Financial Literacy bzw. Finanzbildung und vermitteln, welche Finanzierungsformen es gibt, was Anleihen und Optionen sind und was Venture Capital ist. Man muss selbst nicht investieren, aber man sollte zumindest darüber Bescheid wissen. Von einer Venture-Capital-Investition würde ich Privaten ohnedies abraten, weil es ein breites Wissen braucht, was die Auswahl des Start-ups, die Gestaltung des Deals, die Terms und die Begleitung betrifft. Das ist kein Allerweltsveranlagungsinstrument. Dort, wo es Kompetenz gibt, macht es Sinn. Bei uns ist Venture Capital lange Zeit verpönt gewesen, aber die Erfolgsstorys und die verstärkte Notwendigkeit, damit Veränderungen anzuschieben, haben die Situation gedreht. Wir kommen nicht mehr darum herum, Unternehmen in der Frühphase zu unterstützen und ihnen mit Kapital, aber auch mit mit Know-how und Netzwerken zur Seite zu stehen.

Welche Funktion haben Start-ups in der Gesamtwirtschaft? Ihre Bedeutung wird sicher oft unterschätzt, weil es so Bilder im Kopf gibt von jungen Leuten, die im Café die nächste Dating-App entwickeln. In Wirklichkeit ist das ein sehr breites Spektrum von Deep-Tech-Unternehmen über Technologie- und serviceorientierte Anwendungen bis hin zu digitalen Produkten und Services. Das berührt alles, was wir in der heutigen Zeit als gesellschaftliche Herausforderung sehen, in der ökologischen Krise und im wirtschaftlichen Wettlauf um Autonomie. Wir müssen das Potenzial, das wir in den jungen, gut ausgebildeten Menschen vorfinden, nutzen. Wir haben in Europa eine sehr gute Forschungslandschaft, gerade auch in Tirol mit der Physik, Quantenoptik, der Med-Uni und vielen anderen, staatlich finanzierten Forschungseinrichtungen. Was wir nicht ausreichend schaffen, ist der Transfer des generierten Wissens in die Wirtschaft, um erfolgreiche Firmen daraus zu machen. Das zeigen die Zahlen. Wir sind mit den großen Playern, seien es die USA oder China, auf Augenhöhe, was beispielsweise die Patentanmeldungen betrifft. In dem Moment, wo es um die unternehmerische Verwertung geht, sacken wir in Europa ab.

Wir lassen also sehr viel liegen, wenn wir an der Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung und Unternehmertum nicht gut arbeiten und diese nicht ausreichend kapitalisieren? Genau. An dieser Schnittstelle spielt Venture Capital eine besonders wichtige Rolle. Wir wandern von der direkten staatlichen Finanzierung der Forschung in die Welt der Wirtschaftsförderung (z. B. AWS) und vor allem in die Welt des Wagniskapitals, das ein großer Hebel sein kann. In Österreich sind wir gerade in den Frühphasen ganz gut aufgestellt, im Ausgründen und der ersten Investitionsphase, bei den Early Stage Investments. Die Luft geht uns aus, wenn es um die großen Tickets – beispielsweise von 50 Millionen Euro aufwärts – geht, um Unternehmen auf globaler Ebene skalieren zu können. Ein großer Investor muss mindestens eine Milliarde Euro im Fond haben, damit er ein Ticket über 100 Millionen Euro schreiben kann. Dafür fehlt uns in Europa oft die Luft.

Was kann der Staat tun, um die Rahmenbedingungen Start-up-freundlich zu gestalten? Wir haben in Österreich meiner Meinung nach eine ambivalente Situation. Auf der einen Seite gibt es eine sehr dichte und kompetente Förderlandschaft, mit FFG-Projekten in der Forschung, aber auch mit der AWS als Wirtschaftsbank. Auf der anderen Seite jedoch sind die Voraussetzungen für eine einfache und gründer*innenfreundliche Unternehmensgründung und deren spezifische Anforderungen an ein wachstumsorientiertes Start-up, wie etwa die Möglichkeit für Mitarbeiter*innenbeteiligung, noch nicht wirklich geschaffen. Hier gibt es derzeit die Bemühung, eine neue Unternehmensform zu ermöglichen. Der Gesetzesentwurf zur FlexKap (flexible Kapitalgesellschaft, Anm. d. Red.) befindet sich in Begutachtung und stellt in seiner aktuellen Form einen ersten Schritt in die richtige Richtung dar.

Sind die finanziellen Rahmenbedingungen für Start-ups durch die Zinswende schwieriger geworden oder ist das Wagniskapital privater Geldgeber diesbezüglich unempfindlich? Venture Capital ist teilweise durch Fonds abgedeckt, die im Hintergrund andere Geldgeber*innen haben, teilweise durch Stiftungen, die sich damit auseinandersetzen. So wie etwa die SymbiaVC, die das Vehikel einer Privatstiftung ist. Man muss da differenzieren, weil die Bereitstellungskosten und deren Durchrechnungszeiträume für das Kapital etwas andere sind. Zinsänderungen sind dann vielleicht weniger gravierend, wobei die Mechanismen des teureren Geldes sich überall bemerkbar machen. Wird Geld teurer, wird dessen Allokation schwieriger. Das spüren natürlich auch die Start-ups. Es hat aber eine Konsolidierung gebraucht, auch weil die Bewertungen der letzten Jahre sehr hoch gewesen sind. Die privaten Venture-Capital-Insitutionen, die von Familienstiftungen getragen werden, haben vielleicht ein bisschen größere Spielräume. Man muss sich natürlich auch bei der Renditeerwartung am Markt orientieren. Bekommt man auf kurzfristig verfügbares Kapital auf einmal bei der Bank sechs Prozent, dann holt man mit zehn Prozent Hochrisikoertrag niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Diese Effekte spürt und sieht man, was die Verfügbarkeit von Kapital am Markt anbelangt.


Interview: Marian Kröll

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