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Life

Das Wohlfühlorgan

12.11.2025

Die Schilddrüse ist eine kleine, schmetterlingsförmige Drüse im Hals, die vor der Luftröhre unterhalb des Kehlkopfes liegt und für den Körper eine ganz wesentliche Rolle spielt. Vorrangig produziert sie die Hormone Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3), die in weiterer Folge den gesamten Stoffwechsel steuern. Die Schilddrüse bestimmt also mit, wie schnell oder langsam der Körper Energie verbrennt. Eine Überfunktion (Hyperthyreose) macht den Stoffwechsel zu schnell, eine Unterfunktion (Hypothyreose) zu langsam. Beides ist suboptimal. Um zu funktionieren, braucht die Schilddrüse unter anderem Eisen, Jod und Selen. Stehen diese nicht zur Verfügung, bekommt wiederum die Schilddrüse ein Problem. „Die Schilddrüse ist ein wichtiger Produzent in unserem Körper. Und ohne Produzent kein Produkt. So einfach ist das“, sagt Dr. Alexander Smekal, Schilddrüsenexperte und Konsiliararzt des Park Igls. Im Park Igls wird die fast unscheinbare Schilddrüse immer wieder zum Thema, vor allem, wenn es ums Übergewicht geht. „Übergewicht ist ein typisches Symptom einer Schilddrüsenunterfunktion“, erklärt Dr. Peter Gartner, Chefarzt im Gesundheitszentrum Park Igls. Im Umkehrschluss heißt das allerdings nicht, dass die Schilddrüse zwangsläufig an zu viel Gewicht schuld ist. „Manchmal wird sie auch ganz gern zum Sündenbock gemacht.“ Wann Gartner tatsächlich hellhörig wird, das haben wir nebst anderem im Doppelinterview erörtert.

eco.nova: Was sind erste Anzeichen einer Schilddrüsenerkrankung?

Peter Gartner: Schilddrüsenerkrankungen sind oft gar nicht so eindeutig zu erkennen. Durch Abtasten lassen sich grobe Veränderungen der Drüse meist gut feststellen, beispielsweise ist ein Kropf ein deutliches, sichtbares Zeichen. Daneben gibt es eine Reihe sehr unspezifischer Symptome. Eine Schilddrüsenunterfunktion zum Beispiel kann zu Müdigkeit, Konzentrations- und Schlafstörungen bis hin zu Depressionen führen. Diese werden primär oft nicht auf eine Störung der Schilddrüsenfunktion zurückgeführt. Wir haben auch Gäste mit Fatigue, das seit der Pandemie meist auf eine Post-Covid-Erkrankung geschoben wird. Das mag in vielen Fällen stimmen, kann hingegen auch an einer Unterfunktion der Schilddrüse liegen.

Alexander Smekal: Diese Medaille hat tatsächlich zwei Seiten: Auf der einen Seite sehen wir Patienten, die aufgrund ihrer Symptome wie Übergewicht denken, sie hätten eine Schilddrüsenerkrankung, die letztlich keine ist. Auf der anderen Seite gibt es Krankheitsbilder, für deren Ursache die Schilddrüse nicht in Betracht gezogen wird, obwohl sie der Auslöser ist. Hier braucht es viel Fingerspitzengefühl und Achtsamkeit dem Patienten gegenüber. GARTNER: Die Schilddrüse regelt den Energiestoffwechsel und damit auch unsere Emotionen. In dem Moment, in dem ein Patient überschießende Emotionen zeigt, könnte es sich theoretisch um eine Überfunktion handeln, Traurigkeit oder Konzentrationsschwächen könnten eine Unterfunktion anzeigen. Sobald ein Mensch aus dem emotionalen Gleichgewicht gerät, sollte man die Schilddrüse in seiner Diagnostik mitdenken.

Welche Untersuchungen werden zur Diagnose von Schilddrüsenerkrankungen durchgeführt?

Smekal: Prinzipiell gibt es zur Diagnose drei große Ansätze. Mittels Ultraschall können wir die Schilddrüse sehen und strukturell beurteilen. Im Zuge laborchemischer Untersuchungen untersuchen wir nicht das Organ direkt, sondern dessen Produkte, die Hormone, und die so genannte Szintigraphie dient schließlich zur funktionellen Beurteilung und hilft dabei, Schilddrüsenknoten auszumachen.

Welche Parameter sollten im Zuge von Schilddrüsenscreenings gemessen werden?

Smekal: Vielfach wird bei Screenings nur der TSH-Wert ermittelt, das so genannte Thyreoidea (= Schilddrüse)-stimulierende Hormon, nicht aber jene Hormone, die die Schilddrüse letztlich produziert, das T3 und T4. Der TSH-Wert allein hat allerdings überhaupt keine Aussagekraft, sondern ist nur der Regulator, über die Hormonsituation an sich sagt er nichts aus. Stellen Sie sich eine Schafherde vor, die von einem Hirtenhund von A nach B getrieben werden soll. Die Schafherde will das nicht und bricht nach links und rechts aus. Der Hund ist also damit beschäftigt, ständig von einer Seite zur anderen zu rennen, um die Herde zusammenzuhalten. Betrachtet man nur den Hund, hat man keine Ahnung, was auf dem Feld vor sich geht. Man sieht zwar seine Bewegungen, weiß jedoch nicht, wo die Schafe sind. Nimmt man die mit ins Bild, ergibt alles plötzlich Sinn. So ist es mit dem TSH-Wert. Auch der macht nur gemeinsam mit den T3- und T4-Werten Sinn. Sie sollten obligat bestimmt werden und zum Standardlabor gehören.

Wie kann eine Moderne Mayr-Kur die Schilddrüsenfunktion beeinflussen?

Gartner: Der Darm steht bei allen unseren Diagnostiken und Behandlungen im Zentrum. Man weiß seit geraumer Zeit, dass ein gesundes Mikrobiom unseren Körper in vielerlei Hinsicht positiv beeinflusst. Wir wissen, dass es einen wesentlichen Zusammenhang zwischen Darm und Haut oder den Gefäßen gibt. Es ist inzwischen belegt, dass zum Beispiel Arteriosklerose, bei der sich die Arterien zu verengen beginnen, eher ein Produkt unserer Darmbakterien ist und weniger des Cholesterinverzehrs. Mittlerweile weiß man außerdem, dass es neben der Darm-Hirn-Achse, auch eine Darm-Schilddrüsen-Achse gibt. Dazu wurden inzwischen zahlreiche Studien in namhaften Journalen veröffentlicht. Sie zeigen deutlich, dass unser Mikrobiom die Funktion der Schilddrüse maßgeblich beeinflusst – und damit in weiter Folge unter anderem Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse wie Morbus Basedow oder Thyreoiditis Hashimoto. Eine Dysbiose, also ein Ungleichgewicht in den Darmbakterien, kann sogar mit einem erhöhten Schilddrüsenkrebsrisiko assoziiert sein. Es ist äußerst bemerkenswert. Ein gesunder Darm ist deshalb das Um und Auf und die Moderne Mayr-Kur ein äußerst probates Mittel dafür.

Sind Schilddrüsenerkrankungen entsprechend eine Folge von falscher Ernährung und einem schlechten Lebensstil oder können sie auch genetisch bedingt sein?

Smekal: Beides. Damit die Schilddrüse ihre Aufgaben erfüllen kann, braucht sie Mikronährstoffe wie Jod, Selen oder Eisen, die wir vorrangig durch unsere Nahrung aufnehmen. Hier spielt wiederum das Mikrobiom eine Rolle, das dafür verantwortlich ist, diese Stoffe zu resorbieren und dem Körper – in diesem Fall konkret der Schilddrüse – zur Verfügung zu stellen, damit diese ihre Arbeit verrichten kann. Thyreoiditis Hashimoto, eine Entzündung der Schilddrüse aufgrund einer Fehlreaktion des Immunsystems, ist zum Beispiel häufig eine Folge chronischen Eisenmangels. Der Darm ist wesentlich für unser Immunsystem und damit auch Treiber sämtlicher Autoimmunerkrankungen. Veranlagungen für Autoimmunerkrankungen werden häufig vererbt. Das heißt nicht zwangsläufig, dass die Krankheit auch ausbrechen muss. Dafür braucht es einen externen Auslöser und den hat man oft selbst in Form seines Lebensstils in der Hand.

Gartner: Bei Hashimoto wissen wir zum Beispiel, dass ein solcher Trigger eine psychische Belastungssituation sein kann, also Stress. Hier können Programme wie unser De-Stress und die Moderne Mayr-Kur sehr gut helfen. Um eine schwache Schilddrüsenfunktion zu unterstützen, hilft auch die gezielte Gabe von Supplements. Diese sollte jedoch unbedingt individuell abgestimmt und dosiert sein. Wichtig ist auch, die Schilddrüse in der Folge mit den entsprechenden Mikronährstoffen zu versorgen, um sie wieder bestmöglich zum Arbeiten zu bringen. In den meisten Fällen macht auch eine psychologische Begleitung Sinn. In unserem Haus stehen unseren Gästen dafür alle Türen offen. SMEKAL: Der psychologische Aspekt ist tatsächlich nicht zu unterschätzen. Zu mir kamen Patienten mit einer wenig fortgeschrittenen Thyreoiditis, die unter extrem hohem Stress standen. Als die Stressoren beseitigt waren, hat sich auch die Schilddrüse wieder merklich verbessert. Die negativen Veränderungen waren verschwunden und wir haben eine wunderschöne, reine Schilddrüse gesehen. Auch wenn es unmöglich ist, Thyreoiditis Hashimoto zu heilen, so können wir doch deren Verlauf positiv beeinflussen.

Kommen Gäste bereits mit einer entsprechenden Diagnose ins Park Igls oder handelt es sich um Zufallsbefunde?

Gartner: Die meisten Gäste kommen bereits andiagnostiziert. Meist wurde diese Diagnose aber nie nachhaltig kontrolliert. Dazu gibt es immer wieder Fälle, bei denen aufgrund der gezeigten Symptomatik anzunehmen ist, dass ein Problem mit der Schilddrüse vorliegen könnte. Dann veranlassen wir ein entsprechendes Laborscreening sowie eine Sonografie, ein hochauflösendes Ultraschallgerät haben wir ja im Haus. Anschließend entscheiden wir, ob es sinnvoll ist, Alexander Smekal für ein Konsil hinzuzuziehen und die Patienten zu ihm zu überweisen. So weiß der Patient genau, wo er steht und was der weitere Plan ist.

Welche Ursachen und Folgen haben Über- bzw. Unterfunktionen der Schilddrüse?

Smekal: Die Ursachen sind sehr unterschiedlich. Thyreoiditis Hashimoto zum Beispiel ist eine Unterfunktionserkrankung, bei der die Schilddrüse dauerhaft angegriffen wird und sich entzündet. Die Ursache ist eine Fehlreaktion des Immunsystems, mit der Folge, dass die Schilddrüse nicht mehr genug Hormone bildet und sich der Energiestoffwechsel verlangsamt. Morbus Basedow hingegen ist eine Überfunktionserkrankung, bei der die Schilddrüse durch Auto-Antikörper dazu gezwungen wird, zu viele Hormone zu produzieren. Folgen sind Nervosität und Herzrasen, es kann sich eine Struma, also ein Kropf, bilden oder die Augen können hervortreten. Dramatischer ist eine Überfunktion, weil diese den Patienten tatsächlich in lebensbedrohliche Situationen bringen kann. GARTNER: Nicht wenige Schilddrüsenerkrankungen sind Autoimmunerkrankungen. Wir wissen, dass sich 70 bis 80 Prozent der immunkompetenten Zellen in der Schleimhaut des Dünndarms befinden. Das zeigt, wie wichtig ein gesunder Darm für ein funktionierendes Immunsystem ist. Je besser ausgeprägt dieses ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung.

Interview: Marina Bernardi

Fotos: Andreas Friedle

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