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Geld

Mut zur Aktie

11.2.2022

Schon immer waren es die Banken, die als Mitindikator für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung galten. Das Gute ist: Die Signale aus der Branche sind positiv. Wir haben mit MMag. Georg Frischmann, Leiter des Private Banking der Hypo Tirol, gesprochen. 

ECO.NOVA: Wie verorten Sie die aktuelle Stimmung in der Branche und unter Ihren Kunden? 

GEORG FRISCHMANN: Die Stimmung unter unseren Kunden ist großteils positiv, was vor allem daran liegt, dass die Börsen in den vergangenen zwei Jahren stark zugelegt haben. Der Aktienmarkt verzeichnete im letzten Jahr ein Plus von fast 30 Prozent. Auch wenn es aktuell Korrekturen nach unten gibt, sind unsere Kunden noch entspannt. In der Bankenbranche und speziell im Private Banking orte ich eine gewisse Aufbruchstimmung. Das zeigt sich auch in einer regen Personalsuche in diesem Umfeld. Das Nullzinsumfeld unterstützt die Richtung, in Realwerte zu investieren. Corona hat diesen Trend sicherlich zusätzlich befeuert. Auch am Immobilienmarkt gab es im vergangenen Jahr teilweise Preissteigerungen von 20 bis 30 Prozent. Der Veranlagungsbereich ist mit Sicherheit jener, in dem Banken am stärksten wachsen können.

Die Banken waren und sind eine der tragenden Säulen während der Pandemie – nicht nur als Geldgeber für die Wirtschaft, auch die Banken selbst verzeichnen fast durchwegs gute Geschäftsjahre. Was ist Ihr Resümee über das vergangene Jahr, und wie schätzen Sie das heurige ein? 

Ich schaue prinzipiell positiv ins Jahr. Das Niedrigzinsumfeld macht es zwar auch den Banken selbst nicht einfach, wirtschaftlich erfolgreich zu sein, dennoch verliefen die vergangenen Jahre besser als erwartet. Vor allem die befürchtete Unternehmens-Pleite- welle ist ausgeblieben. Das Niveau an Kreditausfällen ist tief, und es macht nicht den Eindruck, als würde sich das noch ändern. Trotz der Pandemie geht es der Wirtschaft im Allgemeinen gut. Zudem steigt die Hoffnung auf steigende Zinsen. Ich denke zwar, dass nachhaltig höhere Zinsen in Europa nicht wirklich realistisch sind, ganz auszuschließen ist es indes nicht. Wenn die Inflationsraten bis Jahresende hoch bleiben, könnte die Nullzinspolitik aufgehoben wer- den, was für die Bankenbranche sehr positiv wäre. 

Der Konsumeinbruch vor allem im Jahr 2020 ließ das private Finanzvermögen auf ein Rekordhoch steigen. Hat sich dies auch auf das Anlageverhalten ausgewirkt oder kommt es noch zu Nachholeffekten? 

Ein Punkt ist, dass in Zeiten von Lockdowns weniger Geld ausgegeben werden konnte und dadurch die Sparquoten gestiegen sind. Auf der
anderen Seite wurde
– weltweit – extrem
viel Geld verteilt, in
Amerika sogar an Privatpersonen in Form
von Schecks. Auch die
vielen Gelder aus den
unterschiedlichsten
Corona-Hilfsfonds,
die an Unternehmen
ausbezahlt wurden,
landen letztlich in
irgendjemandes Tasche. Es gibt Unternehmen, die im vergangenen Jahr Rekordergebnisse erzielt haben und von diesem Fördermechanismus sogar profitieren konnten. In einigen Fällen wurde der eigentliche Sinn dieser Förderungen sicherlich verfehlt, was in weiterer Konsequenz den Immobilien- und Aktienmarkt befeuert hat, weil dieses Geld folglich darin investiert wurde. In Amerika sehen wir außerdem, dass die Einzelhandelsumsätze massiv gestiegen sind und deutlich über Vorkrisenniveau liegen, weil eben plötzlich so viel Geld am Markt war. 

Die Aktionärsquote in Österreich ist – wenn auch ausgehend von einem niedrigen Niveau – während der Krise erkennbar gestiegen, vor allem bei jungen Anlegern. Worauf führen Sie das zurück? 

Grundsätzlich denke ich, dass die Leute vor allem im ersten Jahr der Krise plötzlich mehr Zeit hatten, sich mit dem Finanzmarkt zu beschäftigen. Tatsächlich haben während des Lockdowns auch einige jener Leute angefangen, aktiv mit Aktien zu handeln, die vorher damit wenig bis gar nichts zu tun hatten. Ein Teil dieser Neo-Aktionäre bewegt sich dabei im hochspekulativen Bereich – das sehen wir vor allem bei jüngeren Leuten, die sich unter anderem immer öfter für das Thema Kryptowährungen interessieren. Diese (jungen) Spekulanten sind jedoch nicht unsere Klientel, sondern eher bei Onlinebrokern zu- hause und in der virtuellen Welt unterwegs. Wir sehen jedoch auch bei unseren Kunden, dass sich der Anteil an Aktionären erhöht. Die Niedrig- und sogar Negativzinsphase wurde Jahr für Jahr verlängert, was die An- leger zu Gegenmaßnahmen veranlasst hat. So mancher ist vom Immobilien- in den Aktienmarkt gewechselt und hat sein Portfolio breiter gestreut. Hier ist allerdings Vorsicht geboten. Beim Blick in den Rückspiegel zeigen sich extrem erfolgreiche Börsenjahre und so mancher ist vielleicht verleitet, zu glauben, dass ginge dauerhaft so weiter. Hier ist es unsere Aufgabe, unsere Kunden aufzuklären und entsprechend zu beraten. Der langfristige Ausblick bleibt dennoch positiv und man kommt in einer ausgewogenen Anlagestrategie um Aktien nicht herum. 

Um am Aktienmarkt zu spekulieren, braucht es entsprechende liquide Geld- mittel, ebenso wie die Veranlagung an sich. Wird die vermögende Mittelschicht generell jünger? 

Im Allgemeinen steigt unser Wohlstandsniveau Jahr für Jahr an. Hinzu kommt, dass wir uns in einer Phase der einkommensstärkeren und vermögenderen Erbengeneration befinden, die immer jünger wird. Immer öfter wird Vermögen auch schon zu Lebzeiten der Eltern an die Kin- der weitergegeben. Klassischerweise ist der Private-Banking-Kunde um die 50, hat eine gute Ausbildung genossen, sich Wohneigentum geschaffen, seinen Kredit weitestgehend abbezahlt und ist nun in der Lage, seinen finanziellen Überhang zu investieren.


Interview: Marina Bernardi

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