Um Forschung und Entwicklung voranzutreiben, braucht es Zusammenarbeit. Für Christine Bandtlow, Vizerektorin für Forschung und Internationales an der Medizinischen Universität Innsbruck, ist „für die Medizinische Universität Innsbruck und ihre Partner wie die tirol kliniken eine transnational orientierte Forschungsstrategie essentiell, mit dem Ziel, Erkenntnisse der biomedizinischen Grundlagenforschung möglichst schnell und effektiv in die Klinik, das heißt, in die Patientenversorgung zur Anwendung zu bringen“.
Christine Bandtlow: Man würde meinen, dass „Life Science“ den größeren Bereich einnimmt, denn ohne Grundlagenforschung werden wir keine langfristig anwendbare Forschung unterstützen können. Die Anwendung ist für den medizinischen Fortschritt aber essentiell. Gerade in der Universitätsmedizin sind die Voraussetzungen für erfolgreiche Translationsprozesse gegeben, da Grundlagenforschung, klinische Forschung und universitäre Krankenversorgung hier aufs Engste miteinander verzahnt sind. Allerdings ist es nicht immer einfach, dieses Potenzial auch auszuschöpfen. Insofern ist es wichtig, ein Scouting vorzunehmen, wo bereits Resultate und Ideen vorliegen, die man weiter nutzen und forcieren könnte. Für Tirol wären mehr Spin-offs wünschenswert, da es im Vergleich zu Restösterreich nur sehr wenige gibt. Auch im Bereich der Ansiedlung von Klein- und Mittelunternehmen besteht Aufholbedarf. In diesem Bereich spielen vor allem die Universitäten und Hochschulen eine wesentliche Rolle, da die Ideen in erster Linie aus der Forschung kommen. Universitäten haben den großen Vorteil der freien Forschung, das heißt, es wird den Kolleginnen und Kollegen nicht vorgeschrieben, woran sie forschen müssen. Wir müssen uns hier aber trotzdem bemühen, die Forschung zu kanalisieren, damit das Ergebnis schneller in den Anwendungsbereich kommt. Ich sehe die Zusammenarbeit zwischen Forschungsinstituten, Universitäten und Industriepartnern als wichtiges Tool, da wir alle ähnliche Ziele haben.
Das ist eine zentrale Frage. Es ist auffallend, dass sich die Bevölkerung in Österreich im Vergleich zu den skandinavischen Ländern nur sehr wenig für Forschung interessiert. Ich glaube, dass es im Aspekt Wissensvermittlung und Information eine Lücke gibt. Forschung kostet viel Geld und ist oftmals eine Investition. Es ist daher wichtig, in der Bevölkerung ein Bewusstsein zu kreieren, dass es wichtig, weil wertschöpfend ist, auch Steuergelder in die Forschung zu investieren. Selbst wenn bestimmte Forschungsprojekte nicht unmittelbar ein anwendbares Ergebnis liefern oder gar Gewinn abwerfen, bringen sie uns unter Umständen einen großen Schritt weiter in Richtung Innovation und Revolution. Viele Ideen können oft erst 20 Jahre später realisiert werden und bringen neue Aspekte für die Anwendung. Man braucht einen unfassbar langen Atem, da man immer wieder um neue Finanzierung ansuchen muss. Dies ist leider abschreckend für die jungen Kolleginnen und Kollegen. Die limitierten Forschungsgelder legen vielen einen Stein in den Weg. Das ist sehr tragisch für uns als Ausbildungsstätte, da wir die Jungen an die Forschung heranführen möchten.
Es ist eine phänomenale Leistung, dass ein Impfstoff innerhalb eines Jahres hergestellt werden konnte, wenn man berücksichtigt, dass andere Entwicklungen mindestens zehn Jahre, wenn nicht länger gedauert haben. Das ist nur möglich aufgrund der modernen biomedizinischen Technologien. Es zeigt wiederum auch, wie wichtig die Forschung wirklich ist. Es wird aber auch noch weitere nachhaltige Entwicklungen geben müssen, weil wir letztes Jahr vor Augen geführt bekommen haben, wie schnell eine Pandemie entstehen kann. Und wir müssen uns auch darauf vorbereiten, dass es wieder ein Virus geben wird. Die Zeit wurde auch dafür genutzt, neue Forschungsanträge zu schreiben und neue Ideen zu entwickeln.
Diese liegen sicherlich im Klima- und Umweltbereich. Da müssen wir uns nicht nur in Tirol, sondern weltweit stärker engagieren. Wir sind es den nachfolgenden Generationen schuldig, den Planeten schonend zu hinterlassen. Problemverwaltung und verbesserte Interaktion mit anderen Disziplinen wird ebenfalls wichtig werden. Wir müssen vermehrt die Zusammenarbeit fördern, um eine gemeinsame Strategie zu entwickeln, wie man an Probleme herangeht. Ich finde, das haben wir auch in der Krise gelernt. Wir müssen die Chancen der globalen Zusammenarbeit besser nutzen. Konkurrenz wird es immer geben, es hat jedoch keinen Sinn, bei einer weltweiten Krise nicht mit anderen Entwicklern und anderen Ländern zusammenzuarbeiten. Und wir müssen uns über mögliche Ressourcenknappheit Gedanken machen und wie damit umgegangen wird.
Es gibt immer zwei Seiten: Jene, die informiert, und jene, die sagt, sie möchte informiert werden. Das Angebot richtet sich nach der Nachfrage, leider ist diese eine eher zurückhaltende. Das hat auch mit der sehr hohen Komplexität im biomedizinischen Bereich zu tun. Hier ist es wiederum unsere Aufgabe, die essenziellen Informationen so herunterzubrechen, dass sie verständlich und klar bei den Interessenten ankommen.
Interview: Larissa Riedler
Foto: Tom Bause