Manchmal mag es etwas verwirrend anmuten, uns überraschen oder erstaunen, in wie vielen Bereichen Algorithmen bereits ihre Rolle spielen. Begriffe wie Big Data oder Künstliche Intelligenz (KI, gerne auch als Artificial Intelligence – AI – bezeichnet) sind kaum mehr aus unserem Leben wegzudenken. Wir sind mittendrin im Zeitalter der Digitalisierung. Im Privaten und beruflich sowieso. Ob wir wollen oder nicht.
Unternehmen sammeln heute die unterschiedlichsten Daten. Die wenigsten davon wissen diese allerdings zweckmäßig für sich zu nutzen. Ein großer Datenpool allein hilft indes relativ wenig, wenn man keine konkreten Fragestellungen hat, auf die diese Fülle an Datenmaterial Antworten geben kann. Jäger und Sammler zu sein, macht jedoch nur dann Sinn, wenn man seine Eroberungen nicht einfach nur in die Höhle schafft, sondern auch etwas damit macht. Ein erlegtes Mammut macht nicht satt, indem man es anstarrt. Firmen, die hingegen etwas mit den generierten Daten anzufangen wissen, eröffnen sich im Umkehrschluss jede Menge Möglichkeiten – im Bereich des Personalmanagements zum Beispiel. Dabei geht es weniger um das Spiel Mensch oder Maschine, sondern um ein kluges Miteinander. Selbst wenn Computer oder algorithmisierte Systeme vieles leisten können, den Menschen werden sie nicht gänzlich ersetzen können. Sollen sie auch nicht.
Dr. Anna Schneider beschäftigt sich am Institut für Organisation und Lernen der Universität Innsbruck unter anderem mit der Digitalisierung des Personalmanagements. Dabei geht es im Groben darum, den Personalbereitstellungsprozess vom Ausschreiben der offenen Stelle bis zur Aufnahme des neuen Mitarbeiters in die Workforce zu digitalisieren und in weiterer Folge bestehende Mitarbeiter zu beobachten, zu begleiten und weiterzuentwickeln. „People Analytics“ ist der Fachbegriff dazu, ein Consulting-Terminus ohne wirklich adäquate deutsche Übersetzung, weshalb man ihn direkt aus dem Englischen übernommen hat. Vereinfacht gesagt lassen sich dabei aus den unterschiedlichsten Daten unter Zuhilfenahme von Algorithmen Handlungsempfehlungen ableiten. „Während im klassischen Personalmanagement Entscheidungen auf qualitativen Daten und deren Interpretation aufbauen, stützt sich das digitale Personalmanagement auf große Datenmengen, die als Entscheidungsgrundlage zur Verfügung stehen“, erklärt Schneider und ergänzt: „Mir ist aber wichtig zu betonen, dass die Entscheidungen selbst in der Regel immer noch von einem Menschen getroffen werden müssen.“ Hier setzt auch ihre Forschung an: Wie gehen Personen im Personalmanagement mit den Informationen um, die sie aus diesen großen Datenmengen erhalten.
Vor allem in den vergangenen fünf bis sieben Jahren hat der Bereich von Tools und Instrumenten in Bezug auf die Digitalisierung von Geschäftsprozessen einen regelrechten Boost erlebt und dabei auch vor dem Thema des Personalmanagements nicht Halt gemacht. Für uns Menschen ist es mit der Zeit immer schwieriger geworden, diesen Pool an generierten Daten sinnvoll zu erfassen und daraus die essenziellen Informationen herauszufiltern. Dafür werden heute algorithmisierte Softwaresysteme verwendet. In der Folge geht es nun darum, diese Informationen entsprechend einzuordnen. „Neben der technischen Debatte, wie man zu diesen Informationen kommt, ist es aus meiner Sicht viel wichtiger, im Sinne einer soziotechnischen Debatte darüber zu sprechen, was wir Menschen mit diesen Informationen machen“, sagt Schneider.
Ein vor allem in den USA beliebtes System ist „IBM Watson“, ein KI-basiertes Computerprogramm und People-Analytics-System, das auf drei Datenpools zurückgreift: händisch erstelltes Material aus den jeweiligen Personalabteilungen, digitale Spuren, die jeder Mitarbeiter im Unternehmen hinterlässt (E-Mails oder besuchte Websites auf dem Firmencomputer), sowie externe Daten etwa aus den Social Media. Aus diesem riesigen Datenpool können die unterschiedlichsten Prognosen abgeleitet werden, zum Beispiel, ob ein Mitarbeiter vor hat, in näherer Zukunft zu kündigen. Erfasst werden können einzelne Abteilungen, Mitarbeitergruppen bis hinunter zur individuellen Ebene jedes Einzelnen.
Das mag nun selbst für Digital Natives sehr spooky klingen und ist es auch, weshalb man diese Informationen nicht einfach für sich alleine stehen lassen kann. Abgesehen davon, dass so manches in Europa von Rechts wegen oder im Sinne der Datenschutzgrundverordnung nicht erlaubt ist. Zum Beispiel dürfen keine E-Mails von einzelnen Mitarbeitern eingesehen, auf aggregierter Ebene jedoch können die Informationen sehr wohl genutzt werden. „Entscheidend ist nicht, was die Systeme grundsätzlich können, sondern wie Firmen damit in ihren Geschäftsprozessen umgehen“, so Schneider.
Laut einer Untersuchung von Peter Kels (Hochschule Luzern Wirtschaft) und Uwe Vombusch (Fernuniversität Hagen) mit dem Titel „People Analytics im Personalmanagement: Auf dem Weg zur automatisierten Entscheidungskultur?“ anhand zweier explorativer Unternehmensfallstudien zeigt sich, dass Unternehmen übrigens nur sehr wenig davon nutzen, was die Systeme eigentlich könnten. Und das sehr bewusst und in der Regel unabhängig vom Datenschutz. In beiden Firmen etwa hatte der Betriebsrat ein starkes Mitspracherecht, welche Auswertungen genutzt werden dürfen, und dies auch den Mitarbeitern klar kommuniziert. Die durch Algorithmen generierten Informationen sind also im Allgemeinen nur ein Teil einer gesamtheitlichen Entscheidung.
Text: Marina Bernardi
Fotos: Andreas Friedle