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Geld

Reden wir über Geld

14.10.2022

In Pflicht- und allgemeinbildenden Schulen findet Wirtschafts- und Finanzbildung nach wie vor kaum statt. Seit Langem werden Kämpfe um die Inhalte der Lehrpläne ausgefochten, was als so genannter bildungswirksamer Unterricht gilt, Wirtschaftswissen wird dabei offenbar nicht als Teil des Allgemeinwissens angesehen. Das führt in Österreich zum etwas paradoxen Umstand, dass man das (Pflicht-)Schulsystem verlassen kann, ohne jemals etwas Substanzielles über wirtschaftliche Zusammenhänge gelernt zu haben. Doch Wirtschafts- und damit auch Finanzbildung ist gleichzeitig immer auch Lebensbildung.

Zur fehlenden schulischen Finanzbildung kommt hinzu, dass auch innerhalb von Familien kaum über Geld gesprochen wird. Vielfach wissen Ehepartner voneinander nicht, was der andere verdient, von Kindern werden sämtliche finanzielle Belange am liebsten gänzlich ferngehalten – das heißt in der Folge, dass auch außerhalb der Schule keine Finanzbildung stattfindet.

Dabei hat finanzielle Gesundheit und Unabhängigkeit gar nicht vorrangig damit zu tun, Geld in maximale Höhen zu vermehren, sondern mit seinen vorhandenen Ressourcen sein Leben sinnvoll zu bestreiten, sich abzusichern und fürs Alter vorzusorgen. Wir haben mit Claudia Höller, Vorständin der Tiroler Sparkasse, und Désirée-Marie Holjevac, Leiterin des Private Banking ebendort, gesprochen. Über Frauen und Geld nämlich. Und es hat gar nicht weh getan.


eco.nova: Laut einer Studie des Bankenverbandes gehen Frauen vorsichtiger und auch umsichtiger mit Geld um als Männer. Sie sind zwar zusehends selbstbestimmter, sparen jedoch mehr und sind risikoscheuer. Was bedeutet das für das Geldleben von Frauen?

Claudia Höller: Durch die Sparkassengruppe haben wir einen ganz guten Überblick über Österreich und irgendwie hält sich das Phänomen, dass Frauen zwar durchaus selbstbewusster geworden sind und den Wunsch hegen, unabhängig zu sein, dieser Wunsch aber oft nicht in die Tat umgesetzt wird. Vielfach hat dies den Ursprung in der Erziehung, dass Mädchen nach wie vor beigebracht wird, zu sparen. Das mag im Alltag seine Vorteile haben, wenn man achtsam und umsichtig mit seinem Geld umgeht, führt aber in der Folge oft dazu, dass man das übrige Geld noch immer aufs Sparbuch legt. Es ist per se nichts Schlechtes, für den Fall der Fälle über liquide Mittel zu verfügen, doch über einen längeren Zeitraum gesehen, wirft ein Sparbuch am Ende des Tages zu wenig Ertrag als Vorsorgeprodukt ab, unabhängig davon, ob wir uns wie bis vor kurzem in einer Niedrigzins- und/oder einer Inflationsphase mit steigenden Zinsen befinden.

Fehlt es in Österreich generell an Bildung im Geld- und Finanzbereich?

Höller: Definitiv, wobei es schön langsam durchaus besser wird. Es gibt Gott sei Dank Menschen, die nicht müde werden, Finanzbildung an Schulen einzufordern. Das Problem aber ist, dass Finanzbildung auch zu Hause nicht stattfindet. Auch wenn Frauen emanzipierter sind als früher, so scheinen sie ihre Kinder in manchen Bereichen noch gleich zu erziehen, wie es ihre Mütter oder Großmütter getan haben – vor allem in Bezug auf Geld. Sogar wenn Mütter selbst Wissen darüber haben, geben sie es nicht aktiv weiter. Weil man über Geld eben nicht spricht.

Desiree Marie Holjevac: Neben der Wissensvermittlung müssen wir speziell in Frauen auch eine gewisse Neugierde für das Thema wecken. Wir sehen nach wie vor, dass Frauen grundsätzlich die Einstellung haben, nur nichts falsch zu machen – nicht nur in Bezug auf Geld sondern allgemein. Zum Teil sind Frauen heute besser ausgebildet als Männer, trotzdem haben sie vielfach Zweifel, ob sie für bestimmte Positionen geeignet sind, sie trauen sich manche Entscheidungen nicht zu, obwohl sie objektiv betrachtet natürlich dazu in der Lage sind. Es gilt also, Frauen im Umgang mit Geld die Angst zu nehmen.

Die Lebensrealitäten von Frauen und Männern sind nach wie vor unterschiedlich, Frauen verdienen im Schnitt noch immer weniger, entsprechend geringer ist die Pension. Bei Scheidungsraten von rund 40 Prozent ist es auch wenig sinnvoll, sich finanziell auf seinen Partner zu verlassen. Sind sich Frauen ihrer finanziellen Verantwortungen – auch sich selbst gegenüber – bewusst?

Höller: Ich denke schon, dass ihnen manche Probleme bekannt sind. Das führt allerdings nicht immer dazu, dass sie aktiv gegensteuern. Dabei geht es gar nicht darum, zur Finanzexpertin zu avancieren, sondern sich bewusst mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ich bin auch keine Internistin, wenn ich aber ein Problem habe oder einfach gesund bleiben möchte, gehe ich zum Arzt. Genauso selbstverständlich sollte das Gespräch mit meinem Bankberater oder meiner Bankberaterin sein. Wir haben es uns in der Tiroler Sparkasse, der gesamten Erste Group und Sparkassen zur Aufgabe gemacht, die finanzielle Gesundheit der Bevölkerung zu fördern und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass man sich mit seinem Geldleben auseinandersetzt. Wir möchten das Thema greifbarer machen und die Hemmschwelle nehmen, in eine Bank zu gehen und sich beraten zu lassen. Die ist bei Frauen noch immer hoch.

Holjevac: Frauen leisten viel unbezahlte Arbeit, arbeiten oft halbtags, kümmern sich um die Kindererziehung und rutschen durch all diese Lebensumstände im schlimmsten Fall in eine Altersarmut. Ich denke, viele Frauen haben das verstanden aber noch kein Mittel für sich gefunden, etwas dagegen zu unternehmen.


Beschäftigen sich Menschen, die finanziell sorgenfrei sind, eher mit Finanzthemen als jene, die finanziell schwerer über die Runden kommen?

Höller: Ich bin mir nicht sicher. Die Problemfelder sind komplett andere. Die Hemmung, in eine Bank zu gehen, wenn man finanzielle Probleme hat, ist mit Sicherheit hoch. Dabei wäre es gerade für diese Menschen so wichtig, dass sie sich früh beraten lassen. Denn manchmal sind diese Menschen mit der nächsten Rechnung so beschäftigt, dass sie komplett den Überblick über ihre Finanzsituation verloren haben. Auf der anderen Seite haben Menschen mit (viel) Geld tendenziell die Angst, es zu verlieren. Ich könnte aus meiner Erfahrung allerdings nicht sagen, dass diese sich eher mit Finanzthemen auseinandersetzen. Auf jeden Fall ist es ein legitimer Wunsch, sein Geld zu vermehren oder es im vorsichtigen Fall zumindest derart anzulegen, dass es nicht jedes Jahr weniger wert wird.

Holjevac: Wenn Vermögen da ist, möchte man es in erster Linie nicht verlieren, bei Menschen, die finanziell nicht so gut gestellt sind, geht es oft um die Existenz. So gesehen beschäftigen sich die beiden Gruppen nicht unbedingt mehr oder weniger intensiv mit dem Thema, sondern auf andere Weise. Es geht im Zuge eines gesunden Geldlebens vorrangig jedoch gar nicht um das Themenfeld des Private Bankings. Das ist quasi schon das Tüpfelchen auf dem i. Zuvorderst geht es darum, sich überhaupt eine finanzielle Basis zu schaffen. Und das braucht generell einen natürlicheren Umgang mit Geld und ein Verständnis dafür. Das beginnt mit der Erstellung einer einfachen Haushaltsrechnung: Wie viel Geld habe ich zur Verfügung, was sind meine realistischen Fixkosten und was bleibt in der Folge übrig. Dann kann ich mir Gedanken machen, was ich mit diesem restlichen Geld sinnvoll anfangen kann.


Wie schafft man ein neues Selbstverständnis für den Umgang mit Geld?

Höller: Man darf und muss über Geld reden, denn finanzielle Stabilität und Gesundheit schafft Freiräume. Geld zu veranlagen, heißt nicht, den Turbokapitalismus zu fördern, sondern sein eigenes Leben auch im Geldleben selbst in die Hand zu nehmen. Wir sehen, dass das Selbstverständnis im Umgang mit Geld sehr stark daheim gebildet wird. Wenn Kinder Zuhause sehen, dass Mama und Papa gleichwertige Partner sind, wird es auch für sie selbstverständlich. Wenn Kinder sehen, dass die „großen“ Dinge immer Papa regelt, wird das für sie zur Normalität. Man muss wie bei vielem auch bei der Geldbildung möglichst früh ansetzen und Dinge vorleben.

Veranlagung braucht das Selbstbewusstsein, auch schwierige und langfristige Entscheidungen zu treffen. Lässt sich das lernen?

Holjevac: Trainieren ist wohl das richtige Wort dafür. Ich ziehe hier gern einen Vergleich zum Sport: Dort ist das Mentaltraining oft wichtiger als die körperliche Fitness. So ist es auch beim Geld. Und was die „schwierigen Entscheidungen“ betrifft: Das einzig schwierige bei der Veranlagung ist meiner Meinung nach, den ersten Schritt zu gehen und mir zu überlegen: Wem vertraue ich. Man muss nicht selbst zur Finanzexpertin werden, im besten Fall interessiere ich mich dafür, lese zum Thema und habe Spaß daran. Doch unterm Strich geht es darum, jemanden zu finden, bei dem ich mich verstanden fühle. In der Veranlagung selbst gibt es kein richtig oder falsch. Jede Kundin darf so risikofreudig oder risikoavers sein, wie es für sie passt. Diese Bedürfnisse gilt es, im Gespräch herauszufinden.


Braucht es spezielle Anlageprodukte für Frauen?

Höller: Nein, wozu? Veranlagen ist keine Sache des Geschlechts, sondern des Möglichen und Machbaren. Deshalb braucht’s keine eigenen Produkte für Frauen. Oder Männer. Es gilt, die Wünsche und Bedürfnisse von Menschen zu analysieren, ein Anlegerprofil zum Beispiel konservativ zu erstellen und das passende Produkt dazu zu finden. Das setzt eine intensive Beschäftigung mit dem Kunden ebenso wie mit dem Markt voraus. Deshalb ist mein ganz genereller Rat, egal ob an Frauen oder Männer: Holen Sie sich professionelle Unterstützung. Bankberater*innen sind Experten*innen und helfen Ihnen dabei, Ihr Geldleben in Ordnung zu bringen und zu halten. Wenn genügend Geld vorhanden ist, spricht nichts dagegen, auch selbst damit zu experimentieren, sofern ein möglicher Verlust verkraftbar ist. Geht es aber in Sphären, wo es um die Existenz geht, ist es ganz gut, und zwar für Männer und Frauen, wenn man sich beraten lässt.

Interview: Marina Bernardi

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