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Geld

Es ist kompliziert

1.5.2020

Was Geld eigentlich ist, lässt sich bis heute nicht ganz einfach beantworten, etwa wenn wir an Bitcoin denken – kann Geld sein, ist aber keine Währung, an Gold – lange das einzig wahre Geld, aber nicht mehr Währung, aber auch an Zigaretten – Währung in vielen Gefängnissen – oder an Salz – das früher einmal Geld gewesen war. 

Begeben wir uns nach Frankreich des Jahres 1715, wo am 1. September der „Sonnenkönig“ Ludwig XIV stirbt. In seinen 73 Jahren auf dem Thron – er wurde bereits als Vierjähriger König – baute er nicht nur das Prachtschloss Versailles, sondern auch noch viele weitere Schlösser und festigte die Macht Frankreichs durch viele Kriege. Er gab dabei außerordentliche Geldsummen aus, verschuldete sich enorm und hinterließ bei seinem Tod ein ruiniertes Land. Allein die Zinsen der Staatsschulden verschlangen 60 Prozent aller Einnahmen, jeder zweite Franzose war arbeitslos, Tausende wanderten aus, denn Industrie und Handel lagen völlig darnieder. Der Hauptgrund dafür war der Mangel an Geld, denn „Geld“, das war damals einzig und allein Münzen aus Gold oder Silber. Doch der König hatte mit seinen hohen Steuern das meiste Gold und Silber eingezogen und dieses in Kriegen und für Prachtbauten ausgegeben, wobei vieles ins Ausland abfloss. Dadurch zirkulierte in Frankreich immer weniger Geld und der innerfranzösische Handel brach nach und nach zusammen, denn niemand hatte mehr Geld. Und die Wenigen, die noch welches hatten, hüteten sich, es auszugeben. 

Dies zeigt uns bereits zwei wichtige Funktionen des Geldes: Es ist Tausch- aber auch Wertaufbewahrungsmittel. Davon ist die Funktion als Tauschmittel die wichtigere, denn Geld ermöglicht es, dass Menschen, die Unterschiedliches brauchen und anbieten, miteinander handeln können. Geld macht es möglich, dass Millionen von Menschen ihre Waren und Dienstleistungen verkaufen und sich im Gegenzug jene Dinge einkaufen können, die er oder sie haben will.

Der talentierte John Law

Während der Großteil der Franzosen 1715 im Elend lebte, hatte ein Mann all dies gut verstanden und hoffte, nun seine Idee für einen wirtschaftlichen Aufschwung umsetzen zu können. Der gebürtige Schotte John Law, damals 44 Jahre alt, hatte bereits erfolglos versucht, Ludwig XIV sowie vorher sein damals noch unabhängiges Heimatland Schottland von seinem Plan zu überzeugen. Doch nun, mit dem Tod Ludwigs, kam der Herzog von Orleans an die Macht – ein spiel- und vergnügungssüchtiger Mann, der bis zur Volljährigkeit des neuen Königs Regent von Frankreich sein würde. John Law hatte sich schon Jahre zuvor mit diesem Herzog angefreundet, denn beide liebten das Karten- und Glückspiel. 

Mit dem Antritt des neuen Regenten witterte Law seine große Chance, denn dem Herzog von Orleans gefiel sein Plan, aus Papier Geld zu machen. Law gründete eine Bank, in die er sein gesamtes Vermögen einbrachte. Diese Bank sollte Banknoten ausgeben, also Zahlungsversprechen, dass jeder, der so eine Banknote brächte, diese in Gold eintauschen könnte. 

Law war überzeugt, dass das Einzige, was die Wirtschaft Frankreichs hemmte, der Mangel an Geld, also an einem hochliquiden Tauschmittel war. Mit seinen Banknoten, die grundsätzlich nach Belieben ausgegeben werden konnten, behob er diesen Mangel. Tatsächlich begann die Wirtschaft innerhalb kürzester Zeit zu florieren. Law wurde Finanz- und Wirtschaftsminister von Frankreich und setzte viele sinnvolle Reformen um. 

Doch ein Problem Frankreichs hatte er noch nicht gelöst, nämlich die erdrückend hohen Staatschulden. Hier folgte sein zweiter Geniestreich: Er gründete eine Handels- und Kolonialgesellschaft, die „Compagnie des Indes“, die von allen die Mississippi-Kompanie genannt wurde und die Kolonialisierung des Mississippigebiets und den Kolonialhandel Frankreichs ausbauen sollte. Law erzählte den Franzosen vielversprechende Geschichten, welche Schätze an Gold und Silber dort zu finden wären. Ähnliches wäre auch hier zu erwarten, verhieß Law. Mit diesen Versprechungen wurden die Franzosen eingeladen, Aktionäre der Mississippi-Kompanie zu werden – durch die Einzahlung von Gold, Silber, Banknoten oder den Eintausch ihrer Staatsanleihen. Dadurch gelang es Law, in nur einem weiteren Jahr die gesamten Staatsschulden Frankreichs zu tilgen.

Doch es kam, wie es kommen musste: Während Law seinen Erfolg feierte, druckte der Regent ohne Unterlass neues Geld. Insgesamt stieg die Geldmenge dadurch um das 17-fache. Wann immer es zu viel Geld gibt, folgt darauf fast unweigerlich Inflation. Auch in diesem Fall begannen 1720 die Preise zu explodieren – monatlich stiegen sie im Schnitt um 20 Prozent. Gleichzeitig kehrten die ersten Siedler aus dem Mississippigebiet zurück und berichteten, dass es dort kein Gold und Silber gäbe, sondern nur Sümpfe, Moskitos, heimtückische Krankheiten und feindselige Indianer. Als der Aktienkurs der Mississippi-Kompanie zu sinken begann, fixierte ihn der Regent ohne vorherige Rücksprache mit Law bei 9.000 Livres. Damit nahm er der Aktie aber jeglichen spekulativen Spielraum nach oben, denn was spekulative Blasen – wie auch derzeit bei Bitcoin – antreibt, ist die Möglichkeit und Phantasie von stets noch höheren Kursen. Als der Kurs fixiert wurde, wollten Tausende Aktionäre verkaufen, was den Kurs massiv nach unten unter Druck setzte. Das rief die politischen Gegner Law’s auf den Plan, denn gerade vom alten Adel wurde dieser „Ausländer“ als unwürdiger Emporkömmling gesehen. 

Einer dieser Adeligen fuhr mit einer Wagenladung voller Banknoten vor Law’s Bank und verlangte den Umtausch der Banknoten in Gold. Dies gelang zwar gerade noch, aber tags darauf zwang der Regent den Adeligen, 90 Prozent des Goldes zurückzugeben, da Law’s Tresore nun fast leer waren. Dies sprach sich sofort herum, viele Menschen gerieten in Panik und stürmten am Folgetag die Bank, um ihre Banknoten umzutauschen. Die Bank musste zugeben, viel weniger Gold zu besitzen, als sie Banknoten ausgegeben hatte; und der Wert der Banknoten verfiel dramatisch. Auch der Aktienkurs der Mississippi-Kompanie brach im Mai 1920 um über die Hälfte ein und Law verlor alle seine Ämter. Er floh über Brüssel nach Venedig, wo er einige Jahre später als gebrochener Mann starb. Frankreich gab danach für fast 200 Jahre kein Papiergeld mehr aus. 

Was diese Episode über den Zusammenbruch von Law’s System zeigt, ist, dass der Schlüssel jedes funktionierenden Finanzsystems Vertrauen ist. Hat Geld – egal ob es nun Salz, Muscheln, Gold, Papier oder Bitcoin ist – das Vertrauen der Menschen, funktioniert es. Verlieren die Menschen aber das Vertrauen, kann so ein System sehr schnell zusammenbrechen. 

Text: Jürgen Huber

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